Testen Sie Ihre Lesefähigkeit

Mit diesem Lesetest können Sie die Lesegeschwindigkeit testen und anschließend das Textverständnis prüfen.
Ein Test der Lesegeschwindigkeit alleine sagt wenig aus. Daher ist es wichtig zu prüfen, was Sie vom Inhalt verstehen. Sie erfahren mit diesem Leseverständnistest wie effizient Sie lesen.

Wie läuft der Lesetest ab?

Klicken Sie auf den START Button und lesen Sie den Text, der erscheint. Lesen Sie nicht schneller oder langsamer, als Sie üblicherweise lesen würden! Wenn Sie fertig sind, genügt der Klick auf STOPP.

<h2>VT24BAm Anfang war die Taube</h2> 
Gründlicher wurde wohl noch nie das Sprichwort von den „blinden Hessen“ widerlegt: Aus dem kleinstaatlichen Kassel des 19. Jahrhunderts stammt der Gründer einer der ältesten Nachrichtenagenturen der Welt. Doch wer kennt ihn heute noch, jenen international erfolgreichen Israel Beer, der 1816 als Sohn eines Rabbiners geboren wurde? Dabei ist fast jedem Zeitungsleser sein Name ganz vertraut! Denn dieser junge Mann ließ sich im Alter von 28 Jahren taufen und nannte sich seitdem Paul Julius Reuter. 
Auf Wunsch des Vaters absolvierte der Jüngling zunächst eine Banklehre in Göttingen. In den vierziger Jahren trat er in die renommierte Berliner Buchhandlung J.A. Stargardt ein, arbeitete sich bis zum Teilhaber empor und ging im Revolutionsjahr 1848, nicht zuletzt aus politischen Gründen, nach Paris. Dort stellte ihn Charles Havas in seinem Nachrichtenbüro „Agence Havas“ als Übersetzer ein. Diese Tätigkeit war zuvor von Bernhard Wolff ausgeübt worden, der später das „Wolffsche Telegraphenbüro“ (WTB) gründete. Kurioserweise beschäftigte Havas mit Reuter unbeabsichtigt nun schon den zweiten seiner beiden zukünftig schärfsten Konkurrenten: Denn nach nur einem Jahr bei Havas versuchte auch Reuter, sich mit einem eigenen Pressebüro in Paris selbständig zu machen. Er hatte schnell erkannt, welche Chancen dieses Nachrichtengeschäft bot. 
Bereits in den Jahren vor den europäischen Revolutionen von 1848/49 hatte sich in Europa ein wachsendes Interesse an zuverlässigen Informationen aus Wirtschaft und Politik geregt, das sich nicht nur mit Tageszeitungen zufrieden geben wollte. Zudem waren das Geschäft mit der Nachricht, die Politik durch die Nachricht und der Krieg wegen einer Nachricht so alt wie die Menschheit. Der Bedarf war vorhanden – man brauchte also nur intelligente Ideen für die Wege der Nachrichtengewinnung und ihre -verbreitung! 
Paul Julius Reuter war auf die Herausforderungen dieser neuen Branche bestens vorbereitet. Ein wacher Verstand, Ehrgeiz und Phantasie trieben ihn an. Während seiner Bankausbildung in Göttingen hatte er mit großem Interesse die Experimente verfolgt, die der Mathematiker und geniale Naturforscher Karl Friedrich Gauß mit dem Heliographen, einer Frühform des Telegraphen, durchführte. Über Kapital verfügte Reuter durch seine Ehe. Im Jahr 1840 hatte er Ida Magnus geheiratet, die Tochter eines Berliner Bankiers. Ihr praktischer Sinn, ihre Sprachkenntnisse und große Tüchtigkeit befähigten sie, als Kopistin und Buchhalterin in dem 1849 gegründeten Reuterschen Pressebüro mitzuarbeiten. Das Büro residierte gegenüber der Post, denn die kurzen Wege sollten in Verbindung mit einem späten Redaktionsschluss eine erhebliche Beschleunigung der Nachrichtenversendung bewirken. 
Am 1. Oktober 1849 gab Preußen seine Drahtleitung von Berlin nach Aachen für die private Nutzung frei. Reuter stellt sich sogleich darauf ein und gründete im folgenden Jahr in Aachen eine Unternehmung für die Beförderung telegraphischer Depeschen. Sein verkehrs- und nachrichtentechnischer Coup, mit dem er die Telegraphennetzlücke von Brüssel bis Aachen schloss, waren Brieftauben. In leichten Spezialbehältnissen transportierten sie die Börsenkurse aus Paris und London sechs Stunden schneller als der Postzug auf dieser 150 km langen Strecke. Doch trotz aller Schnelligkeit handelte Reuter zeit seines Lebens bedachtsam und umsichtig. Deshalb setzte er für seinen Kurierdienst aus Sicherheitsgründen immer drei Tauben pro Nachricht ein. 
Bereits 1850 investierte Reuter die ersten Gewinne in einen bemerkenswerten Ortswechsel seiner Firma. Er verlegte sein Nachrichtenbüro in den zentralen Ort des Welthandels und der weltweiten Kommunikation: die Londoner City. Dabei hatte niemand in der britischen Metropole den Deutschen zu diesem Schritt aufgefordert – schließlich verfügten die Zeitungen über ihre eigenen Korrespondenten und vertrauten ungern auf Agenturmeldungen, denen damals der Verdacht des Schwindels anhaftete. Aber Reuter beeindruckte seine Gesprächspartner durch seine Intelligenz und sein zurückhaltendes Auftreten. Er gewann Aufmerksamkeit und Respekt durch sein Eröffnungsangebot, sämtliche Nachrichten einen Monat lang kostenlos zu liefern. Durch seine Korrektheit und seine grundsätzliche Bereitschaft, jeden Fehler schnell richtig zu stellen, erzielte er Vertrauen und damit Einfluss. Man erzählte sich alsbald, dass er in der Erwartung wichtiger Börsenmeldungen oder wirtschaftlicher Nachrichten alle Beteiligten in seinem Büro einzuschließen pflegte, um persönlich die zeitgleiche Ausgabe der Informationen an alle Abnehmer gewährleisten zu können. 
Mit der Londoner Börse schloss Reuter einen Vertrag über die frühestmögliche Zusendung aller Notierungen des Kontinents und der nationalen Kurse. Vier Jahre später verlieh man ihm sogar die britische Staatsbürgerschaft. In allen wichtigen Ländern der Erde wurden Filialen errichtet, eigene Drahtlinien entstanden, spezielle Kurierdienste wurden aufgebaut. Reuters Büros fanden sich in Ostindien, Ägypten, China, an den Küsten Afrikas, in Kanada und Westindien. Am 7. Februar 1859 erhielt Reuter von Kaiser Napoléon III. den Text einer Rede vorab, so dass die Nachricht bereits während der Ansprache veröffentlicht werden konnte. 
Weltweite Beachtung erfuhr ein weiteres Hasardstück: Die Ermordung des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln konnte Reuters Büro 48 Stunden früher als seine Konkurrenten melden. An jenem 14. April 1865 hatte der Postdampfer bereits den Hafen verlassen, als Reuters Korrespondent mit der Nachricht an den Kai gelangte. Daraufhin charterte er einen schnellen kleinen Dampfer, erreichte das Postschiff, brachte die Mord-Geschichte an Bord und sorgte so für eine zweite Top-Nachricht – in eigener Sache. Die Erzählung von der Nachricht per Schnelldampfer gehörte seitdem zur Firmen-Legende, die sich einträglich auf die Geschäfte ausgewirkt haben dürfte. 
Während des nordamerikanischen Bürgerkriegs schloss Reuter ein Abkommen über einen Nachrichten-Austausch mit seinem Konkurrenten „Associated Press“. Reuter lieferte nun schnell und fast exklusiv Informationen an die europäischen Länder über eine von ihm selbst eingerichtete Linie von Crookhaven nach Cork in Irland. Die telegraphische Lücke überwanden dieses Mal nicht Brieftauben, sondern Fischer. Von den Postdampfern aus warf man die Nachrichten in Spezialkanistern ins Wasser, und nachts konnten Fischer die durch Phosphor illuminierten Behältnisse mit ihren Netzen bergen. 
Reuter erweiterte seine Kapitalgrundlage, indem er 1865 als AG „Reuter’s Telegram Company Ltd.“ (RTC) an die Öffentlichkeit ging. Er verlegte Nachrichtenkabel von Norderney nach England (1865), von Frankreich in die USA (1869) und schloss Kartellverträge über die Aufteilung des Weltnachrichtenmarktes (1870/73). Seinem ältesten Sohn Herbert vertraute er schließlich die Leitung des Nachrichtengeschäftes an und gab aus gesundheitlichen Gründen 1878 den Posten des „managing directors“ auf. Allerdings zog er sich nicht völlig aus der Geschäftswelt zurück. Bis zu seinem Tod als 82-Jähriger konzentrierte er sich auf den Eisenbahnbau und das Bankwesen. Als Wappen führte Reuter einen Globus, um den vier Blitze zucken unter dem Motto „per mare et terram“ – zu Wasser und zu Lande. 
Auch nach Reuters Tod (1899) blieb sein Name mit allen großen Weltereignissen verbunden. Krisenzeiten waren die beiden Weltkriege, in denen Patriotismus und wirtschaftliche Interessen auch die Nachricht instrumentalisierten. Für die Nationalsozialisten war „Reuters“ eines der schlimmsten Feindunternehmen im Propagandabereich, das mit seinen Nachrichten „der Lüge und Verleumdung und dem ganzen Schmutz der jüdisch-liberalistischen Unverantwortlichkeit“ diene. 
Das heutige multinationale Unternehmen „Reuters Group PLC“ ist nach Associated Press und dpa (Deutsche Presseagentur) das drittgrößte der Welt. Es arbeitet mit nationalen Agenturen zusammen, hat zahlreiche Spezialagenturen gegründet und ist im Bankwesen, Export und Verlagsbuchhandel tätig. 
Vieles hat sich in den anderthalb Jahrhunderten geändert. Doch ein zeitgenössischer Bericht über die Arbeitsweise des damaligen Familienunternehmens in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts beweist, dass sich in dem „Hauptbüro des Weltverkehrs“ – so lautete die Überschrift zu dem Artikel in der „Gartenlaube“ von 1873 – bereits aktuelle Strukturen entdecken lassen: „Das Reutersche Bureau ist nie geschlossen, sondern Tag und Nacht offen. Damit das geschehen kann, besitzt das Institut zwei Abteilungen, deren eine den Tagesdienst und deren andere den Nachtdienst versieht. Die zu letzterer Gehörigen machen die Nacht zum Tage und nehmen während derselben ihre Mahlzeiten ein… Es finden sich auch Schlafsofas, Waschtische und dergleichen in den zum Nachtdienst bestimmten Zimmern vor, so dass die Herren, falls es nichts zu tun geben sollte, der Ruhe pflegen können.“